On-Demand-Verkehr
Engineering ÖPNV und SPNV
Der Begriff On-Demand-Verkehr steht auch in der Bundesrepublik für eine zunehmende Anzahl von Mobilitätsformen, mit denen Komponenten des klassischen Spektrums ergänzt, ersetzt oder deren Mängel bereinigt werden sollen. Vor allem geht es dabei um maßgebliche Fortschritte im Sinne der viel beschworenen Mobilitätswende mit dem Ziel der Verbesserung der Umweltverträglichkeit und der »Menschenfreundlichkeit« des Verkehrs.

Erste »Kraftdroschke« in Berlin im Jahr 1899 (Quelle: www.de-academic.com).
»On demand« steht der Wortbedeutung nach für Dienstleistungen »bei Bedarf«, »auf Abruf«, »auf Anforderung«, »auf Bestellung«, »auf Wunsch« etc. [1]. Solche Formen gibt es im Verkehrssektor in zahlreichen Varianten bereits seit der Antike (Sänften, Kutschen, Rikschas etc.) [2]. Ab Ende des 19. Jahrhunderts standen lange Zeit die motorisierten Straßen-Taxen im Vordergrund (siehe Abb. 1). Deren Betriebsbedingungen haben sich seither technologisch beträchtlich weiterentwickelt; das betrifft beispielsweise das Global Positioning System (GPS), die elektronischen Bezahlmöglichkeiten und die Kundenkommunikation auf der Basis von Apps. In der jüngeren Vergangenheit kam eine Vielfalt von Pkw-Vermietungen und verschiedene Formen der geteilten Nutzung von Pkws und Kleinbussen sowie Leihfahrrad- und E-Scooter-Dienste dazu [3]. Aktuell gehören auch autonom fahrende Fahrzeuge unter der Bezeichnung Robotaxis [4] sowie sogar autonome Lufttaxis [5] zu den viel zitierten Zukunftsoptionen diesbezüglich.
Beginnend mit den so genannten Rufbussen wurden in Deutschland auch Konfigurationen des On-Demand-Verkehrs in den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) integriert. In den Jahren 1977/78 fanden die ersten Probebetriebe mit speziellen Kleinbussen statt.

Anrufbus per App abrufbar (Bild: TWS Mobi).
Seither haben sich dafür auch andere Namen etabliert wie Anruflinienbus, Linienbedarfstaxis, Anruftaxi und Taxibus [6] (Abb. 2). Dabei handelt es sich um eine »Form der Bedarfsbedienung . . . für Angebote einer Grundversorgung bzw. Erschließung . . . Die Fahrzeuge fahren in den meisten Systemen auf festgelegten Routen – oft auf derselben Strecke, die zu Zeiten stärkeren Fahrgastaufkommens vom normalen Linienverkehr benutzt wird. Allerdings fahren sie nur auf Bestellung und bedienen meist auch nur die Haltestellen, für die ein Bedienungswunsch vorliegt . . .« [6].
Formen der geteilten Nutzung im Pkw-Verkehr
Ausschnitte aus den Definitionen laut [3]:
- Ridehailing (hail = herbeirufen) bezeichnet beispielsweise die Nutzung eines Taxis oder eines anderen Fahrdienstes wie Uber oder FreeNow. Das Fahrzeug wird nur von der Person oder den Personen genutzt, die das Fahrzeug gemeinsam angefordert haben.
- Ridepooling (Dienste) sind kommerzielle Fahrdienste, deren Fahrzeuge von mehreren Fahrgästen gleichzeitig für unterschiedliche Fahranfragen genutzt werden. Dazu teilen sich verschiedene, (untereinander) meist unbekannte Personen, die gesamte oder einen Teil der Strecke und nehmen hierfür geringfügige Umwege in Kauf. Die Buchung erfolgt per App und Telefon.
- Ridesharing bezeichnet die klassische Mitfahrgelegenheit. Eine Privatperson fährt eine Strecke von A nach B und bietet an, andere Personen kostenlos oder für eine Beteiligung an den Fahrtkosten mitzunehmen.
- Carsharing ist die geteilte Nutzung eines Fahrzeugs durch mehrere Personen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und wird von verschiedenen Unternehmen, Organisationen und Vereinen angeboten.
Beispiele: Das weltweit größte Ridehailing-Unternehmen Uber wurde im Jahr 2009 gegründet [7]. Bei dem eigenständigen Unternehmen des Volkswagenkonzerns unter der Bezeichnung Moia liegt der Schwerpunkt auf dem Ridepooling [8]. Die DB-Tochter ioki ist mit 70 On-Demand-Verkehren und rund 65 Mobilitätsanalysen in sieben Ländern eines der führenden Plattformunternehmen für fahrerbasierte und autonome On-Demand-Lösungen in Europa [9].
Forscher der renommierten US-amerikanischen Universität UC Davis haben sich ausführlich mit der Rolle der Bedarfs- und Anrufdienste beschäftigt mit Schwerpunkt auf dem Ridehailing. Das Ergebnis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (2017, bezogen auf das Untersuchungsgebiet USA) lautete zusammengefasst: »Mehr Autos, mehr Fahrten, mehr Meilen« [10] und ist vielerorts nach wie vor gültig.
Einordnung der On-Demand-Dienste
In einem Beitrag mit dem Titel »Eine Chance für Mobilität ohne (eigenes) Auto oder überflüssiger Mehrverkehr?« äußerte sich der Verkehrsclub Deutschland (VCD) wie folgt [11]: »Ende November 2020 veröffentlichte das Bundesverkehrsministerium einen Referentenentwurf zur Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Damit sollen vor allem neue nachfrageorientierte Mobilitätsangebote . . . einen verlässlicheren Rechtsrahmen erhalten . . . Dabei muss berücksichtigt werden, dass diese neuen Angebote nicht den ÖPNV ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen und Fahrplan- oder Netzlücken schließen sollen. Der Gedanke, Verkehr vom Auto auf klimaschonendere Verkehrsträger zu verlagern, muss im Vordergrund stehen. Mehrverkehre und eine Kannibalisierung des klassischen ÖPNV müssen verhindert werden.«
Laut der »Begleitforschung Nachhaltige Mobilität« sind ». . . On-Demand-Angebote nur sinnvoll, wenn sie als Teil des Öffentlichen Verkehrs dazu beitragen, eine attraktive Alternative zum privaten Auto zu werden. Deswegen ist eine enge Verknüpfung mit dem klassischen ÖPNV notwendig. Flexible On-Demand-Angebote sind allerdings nur schwer in das Finanzierungssystem für den ÖPNV zu integrieren. Das gilt insbesondere für digital basierte Pooling-Dienste . . .« [12].
In einer Veröffentlichung unter dem Titel »Bedarfsverkehr per App kann Bus und Bahn ergänzen – Bessere Mobilität auf dem Land durch flexible Kleinbusangebote« äußerte sich der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ausführlich zu der betreffenden Thematik in Hinblick auf den ÖPNV [13]. Einleitend heißt es: »Per App buchbare Sammelfahrten mit Kleinbussen können das Mobilitätsangebot verbessern und die Abhängigkeit vom privaten Auto verringern. Vor allem in ländlichen Regionen bieten sie die Möglichkeit, dünne Angebote des ÖPNV zu ergänzen.« In diesem Leitfaden wird erklärt, unter welchen Bedingungen so genannte Linienbedarfsverkehre sinnvoll sind und wie sie erfolgreich ins öffentliche Verkehrssystem integriert werden können. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes wird abschließend wie folgt zitiert: »Der Ausbau von On-Demand-Verkehren kann zur Schaffung von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land und zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor beitragen . . . Ein Gutachten im Auftrag des VDV hat aber auch deutlich gezeigt, dass der finanzielle Bedarf für die damit verbundene Angebotserweiterung hoch ist: Bis 2030 bräuchten wir rund 3,8 Milliarden Euro zusätzlich, damit On-Demand-Verkehre in Deutschland flächendeckend (im ÖPNV) im Regelbetrieb fahren können . . .«
On-Demand-Verkehr mit autonom fahrenden Fahrzeugen im ÖPNV
Seit Jahren werden auch in Deutschland fahrerlose Bus-Shuttle und Robotaxis im ÖPNV als ideale Lösung für die Bedienung in Gebieten und/oder in Zeiten geringer Nachfrage beschworen.

Der VW-ID-Buzz, mit dem Moia in Hamburg den ÖPNV zukünftig autonom on demand maßgeblich ergänzen will (Bild: VW/Moia).
Nach aktuellen Planungen sollen beispielsweise in Hamburg mit Förderung des Bundesverkehrsministeriums schon in absehbarer Zeit bis zu 10.000 Robotaxis im On-Demand-Betrieb den ÖPNV maßgeblich ergänzen [14] (siehe Abb. 3). Zu den Hauptargumenten gehören dabei die angeblich geringen Personalkosten. Abgesehen davon, dass es sich dabei nicht tatsächlich um autonom fahrende Fahrzeuge im Sinne der international gültigen Skala der Automatisierung handelt (Level 5), sondern maximal um »voll automatisiert« fahrende (Level 4) [15], haben vielfältige internationale Erfahrungen gezeigt, dass nicht nur die vertretbaren Einsatzspielräume begrenzt sind, sondern (jedenfalls bisher) auch, dass die spezifischen Kosten bei den Robotaxis sogar deutlich höher sind, als bei konventionellen Taxen [16]. Neben den durch die Hochtechnologie-Ausstattung geprägten Beschaffungs- und Wartungskosten resultiert das aus den Personalkosten zur Steuerung des Betriebs mit Sicherheitsfahrern und/oder in den Leitzentralen. In Betracht zu ziehen ist zudem das zunehmende Gefährdungspotential durch Cyberkriminalität.
Fazit
Die mit der Einführung moderner Konfigurationen des On-Demand-Verkehrs verbundenen Erwartungen und Hoffnungen hinsichtlich einer wirkungsvollen Umsetzung der viel zitierten Mobilitätswende im Sinne der damit verbundenen Zielsetzungen haben sich weltweit bisher weitgehend nicht erfüllt; vielfach wurde sogar eher das Gegenteil bewirkt. Das diesbezüglich tatsächlich vorhandene Potential kommt nur zum Tragen, wenn ihre Umsetzung in dem betreffenden Sinne strikt und konsequent reguliert, integriert und gesteuert wird. Im ÖPNV gehört dazu in der Regel auch eine – ggf. sogar beträchtliche und stabile – finanzielle Förderung. Als Hauptrisiken konkurrierender Angebote haben sich vielerorts eine Kannibalisierung des ÖPNV und Mehrverkehre auf den Straßen (fahren und parken) erwiesen. Die erhoffte Wirkung hinsichtlich einer Reduzierung des privaten Pkw-Besitzes ist bisher überwiegend nicht eingetreten. Hinsichtlich des Einsatzes autonom fahrender Straßenfahrzeuge sind die international damit bereits gemachten Erfahrungen und Positionierungen in Betracht zu ziehen.
Quellen:
[1] Online Wörterbuch dict.cc: »On demand«; Stand 04/2024
[2] Wikipedia: Geschichte des Taxis; Stand 04/2024
[3] München unterwegs: Was genau ist Ridehailing, Ridepooling, Ridesharing und Carsharing? Stand 04/2024
[4] Wikipedia: Robotaxi; Stand 04/2024
[5] Kossak, A.: »Flugtaxis« als Konkurrenz zum Nahverkehr? Neue Mobilität, Herbst 2020
[6] Wikipedia: Anruflinienbus, Rufbus, Taxibus; Stand 04/2024
[7] Wikipedia: Uber (Unternehmen); Stand 04/2024
[8] Wikipedia: MOIA; Stand 04/2024
[9] ioki Hamburg erhält Deutschen Verkehrswendepreis; 06.04.2022
[10] UC Davis, Institute of Transportation Studies: Disruptive Transportation, The Adoption, Utilization and Impacts of Ride-Hailing in the US; Research Report, 2017
[11] Verkehrsclub Deutschland: Eine Chance für Mobilität ohne (eigenes) Auto oder überflüssiger Mehrverkehr? 10.12.2020
[12] Begleitforschung Nachhaltige Mobilität (BeNaMo): Alternative Mobilitätsangebote für einen optimalen ÖPNV; 09.02.2021
[13] Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV): Bedarfsverkehr per App kann Bus und Bahn ergänzen; 2023
[14] Mester, V.: So soll autonomes Fahren sicher sein; Hamburger Abendblatt, 27.10.2023
[15] www.ace.de
[16] Kossak, A.: »Robotaxis« und »fahrerloser Shuttle-Bus« in San Francisco: Erfahrungen und Einordnungen; Der Nahverkehr 3/2024