Hochleistungs-Rechnerplattform für den modernen Bahnbetrieb

Artikel vom 19. Oktober 2023
Fahrzeugtechnik

Damit sich die hohen Anfangsinvestitionen eines Zugs rechnen, sollte die Nutzungsdauer bei einem wirtschaftlichen Betrieb bei rund 20 bis 30 Jahren liegen. In diesem Zeitraum ändern sich die Anforderungen jedoch grundlegend: Die Technik muss aktualisiert und Cybersicherheit berücksichtigt werden. Gleichzeitig haben Fahrgäste heute andere Erwartungen an den Fahrgastkomfort – das wiederum fördert neue Entwicklungen.

»Train-IT-Server«: Alle nicht sicherheitsrelevanten Systeme werden von einem Rechner gesteuert (Bild: duagon).

»Train-IT-Server«: Alle nicht sicherheitsrelevanten Systeme werden von einem Rechner gesteuert (Bild: duagon).

Bis in die 1990er-Jahre waren Straßenbahnen vor allem funktionell mit Sitzplätzen und Haltevorrichtungen ausgestattet. Moderne Bahnen bieten Fahrgästen mehr Komfort: durch die Verfügbarkeit von Wi-Fi, Fahrgastinformationssystemen, Videoüberwachung sowie der Einblendung zielgerichteter Werbung auf Bildschirmen. Der zusätzliche Einsatz von Videoüberwachung wird auch von Bahnbetreibern geschätzt, beispielsweise bei der Aufklärung eines Zwischenfalls.

Im Fernverkehr haben sich Züge außerdem zu einem »rollenden Arbeitsplatz« entwickelt: In die Sitze integrierte Tische bieten die Möglichkeit, unterwegs zu arbeiten, eine Internetverbindung über Wi-Fi ermöglicht die Teilnahme an virtuellen Besprechungen. Diese gestiegenen Anforderungen nach Flexibilität und Mobilität während des Transports beinhaltet auch den Wunsch nach in Echtzeit bereitgestellten Reiseinformationen. Dies kann zum Beispiel die Information zu einem kurzfristig anstehenden Bahnsteigwechsel oder alternativen Reiserouten bei einer Störung sein.

Für Betreiber ist die Erfassung von zusätzlichen Daten durch Predictive Maintenance wichtig, um eine bessere Wartung von Zügen zu gewährleisten. Die Fahrgastzählung liefert ihnen zusätzliche Informationen zur Planung und Kontrolle. Auch die Überwachung mittels einer Echtzeitdiagnose, beispielsweise der Klimaanlage oder des Wasserstands in den Zugtoiletten, gehört zum Standard in modernen Zügen.

Zunehmend wichtiger werden außerdem Cybersicherheitsvorschriften nach dem EU Cyber Resilience Act 2019/2020 von 2022 zur Gewährleistung sicherer Hardware- und Softwareprodukte. Durch die erhöhte Cyberkriminalität als Folge einer steigenden Konnektivität müssen auch die Zugnetzwerke geschützt werden. Orientierung bieten Computing-Systeme, die mit dem vorgegebenen Sicherheitsstandard IEC 62443 für industrielle Steuerungs- und Automatisierungssysteme zertifiziert sind.

Grundsätzlich gilt es, sowohl beim Retrofitting von Bestandszügen als auch bei der Fertigung neuer Züge zukünftige Fahrzeugtechnik durch den Einbau der passenden Hardware zu berücksichtigen.

Eine Recheneinheit für alle Kommunikationsaufgaben

Um die Anforderungen nach einer modernen Fahrzeugtechnik und höheren Sicherheits- und Fahrgastkomfortstandards zu erfüllen, umfasst ein Bereich des Retrofittings von Schienenfahrzeugen die Aktualisierung der Netzwerktechnik. Dies ermöglicht die Integration einer Rechenplattform für Kommunikationsaufgaben im Zug (Train-IT-Server).

(Bild: duagon).

Ansicht des »Train-IT-Servers« von oben und unten (Bild: duagon).

Ansicht des »Train-IT-Servers« von oben und unten (Bilder: duagon).

Darüber können unter anderem Echtzeitfahrgastinformationen abgerufen, das Internet über Wi-Fi aufgerufen sowie mittels einer über den Train-IT-Server ausgeführten Intrusion-Detection Schadsoftware im Zugnetzwerk erkannt werden.

Durch den Einsatz zusätzlicher Virtualisierungssoftware lassen sich außerdem verschiedene Anwendungen wie die Fahrgastzählung, Predictive Maintenance und Fahrgastinformationssysteme auf einem Computer ausführen. Bahnbetreiber profitieren dabei von einer Kostensenkung und Verbesserung der betrieblichen Effizienz, da nur ein anstatt verschiedener Computer im Zug benötigt wird.

Ein wichtiger Aspekt im Bahnbetrieb ist außerdem die Langzeitverfügbarkeit, die von Herstellern für mindestens 15 Jahre garantiert wird. Zusätzliche Bestandszüge lassen sich noch nachträglich mit Hardware ausstatten und reparieren, um einen einheitlichen Standard in der gesamten Zugflotte zu erreichen. Durch den Einsatz modularer Hardware besteht die Option, nachträglich die Rechenleistung anzupassen, Schnittstellen zu integrieren, größere Datenspeicher einzubauen und Mobilfunkstandards upzudaten.

Train-IT-Server: leistungsstark, langzeitverfügbar und modular

Um die vielfältigen Anforderungen der Bahn- und Transportbranche zu erfüllen, werden High-Performance-Computing-Plattformen aus dem IT- für den Bahnbereich übernommen. Hardware, die im Bahnbereich eingesetzt wird, muss besonders gehärtet sein, um extreme Umgebungstemperaturen von – 40 bis + 85 °C, starke Temperaturschwankungen, Vibrationen und Schock auszuhalten. Gleichzeitig muss eine platzsparende Implementierung gegeben sein. Für eine lange Betriebsdauer sollten möglichst wenig Steckkontakte vorhanden sein und freiliegende Kabel vermieden werden.

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte wurde der duagon »Train-IT-Server« entwickelt. Dieser ist eine Kombination aus einem Rack mit passender Stromversorgung, Recheneinheit, lokalem Speicher und verschiedenen E/A-Modulen, die modular aufgebaut und skalierbar sind. Je nach Einsatzbereich, ob im Nahverkehr oder im rechenleistungsintensiveren Fernverkehr, stehen je nach Einheit unterschiedliche Recheneinheiten und Systeme zur Verfügung, zum Beispiel DIN-Rail- oder 19-Zoll-Systeme.

Für eine kleine bis mittlere Rechenleistung wurden DIN-Rail-Systeme mit Intel Dual oder QuadCore CPU und bis zu 8 GB Arbeitsspeicher und E-/A-Modulen konzipiert. Es lassen sich bis zu zwei Modems mit 5G-Mobilfunktionalitäten betreiben.

Bestandteil des »Train-IT-Servers« ist ein 3U CompactPCI Serial CPU-Board mit der 11. Generation der Intel Core und Intel Xeon W-11000E-Prozessoren. Durch die Ausstattung von Rechnern mit Intel Core-Prozessoren, wird eine zuverlässige Datenverarbeitung und lange Verfügbarkeit bis 2032 garantiert. Mit vier bis acht Kernen, einem leistungsstarken Grafikprozessor und schnellem 64 GB DDR4-DRAM mit ECC sind 19-Zoll-Systeme für High-End-Embedded-Computing im Zug und an der Bahnstrecke ausgelegt. Optionale 10-Gbit-Ethernet-Schnittstellen ermöglichen einen hohen Datendurchsatz und eine direkte Anbindung an das Netzwerk-Backbone. Zusätzlich lassen sich bis zu sechs Modems mit 5G-Mobilfunktionalitäten verbauen, die im »Train-IT-Server« betrieben werden.

Jeder duagon Server ist robust, modular, flexibel und kann individuell konfiguriert werden. Alle Zugserverkombinationen sind vollständig zertifiziert und erfüllen die maximalen Anforderungen der Bahnnorm EN50155 sowie, in Zusammenarbeit mit den Bahnbetreibern, die höchste Software-Sicherheitsstufe 3 (Security Level 3). Eine integrierte Lüftereinheit garantiert einen langjährigen Betrieb, da die Temperaturen im System niedrig gehalten werden und dadurch eine längere Lebensdauer gewährleistet ist.

Der groß dimensionierte Lüfter des »Train-IT-Servers« ist servicefreundlich in einer Lade untergebracht (Bild: duagon).

Der groß dimensionierte Lüfter des »Train-IT-Servers« ist servicefreundlich in einer Lade untergebracht (Bild: duagon).

Damit der Zugbetreiber unterschiedliche Anwendungen und Betriebssysteme auf einer Einheit laufen lassen kann, gibt es Virtualisierungsplattformen. Diese unterstützen die Intel VT-x- und VT-d-Technologie zur Virtualisierung. Dadurch lassen sich Einzelrechner im Zug ersetzen und in der Folge den Wartungsaufwand verringern. Durch einen redundanten Betrieb, bei dem zwei Systeme parallel laufen, wird gleichzeitig die Betriebssicherheit gewährleistet: Fällt ein Rechner aus, läuft der andere weiter.

Sicherheit und Langzeitverfügbarkeit im Fokus

Die Anforderungen an den Bahnbetrieb werden durch die für die Betriebssicherheit notwendige Aktualität der Technik, die Herausforderung der Cybersicherheit und den zunehmend wichtigeren Fahrgastkomfort immer höher. Die steigenden Erwartungen an den Fahrgastkomfort treiben Entwicklungen an. Bereits heute bieten Zughersteller ihren Kunden einheitliche und zukunftssichere Plattformen für diverse zukunftsgerichtete Applikationen. Planbarkeit im Betrieb bieten robuste Rechnerplattformen wie der duagon »Train-IT-Server«. Je nach Anforderung lässt sich dieser individuell anpassen, ermöglicht ein späteres Nachrüsten und steht langfristig zur Verfügung.

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