Die Zeitdiensttechnik im Wandel

Artikel vom 24. Januar 2024
Planung

Eine neue Ära bricht an für die Hauptuhr: IT-Netzwerke mit integrierten Zeitservern wie von Bürk Mobatime lösen zunehmend klassische Uhrenanlagen ab.

 

U-Bahn-Station in Wien mit Zeitdiensttechnik von Bürk Mobatime (Bildnachweis: cristianoalessandro).

U-Bahn-Station in Wien mit Zeitdiensttechnik von Bürk Mobatime (Bildnachweis: cristianoalessandro).

Die Zeit ist ein entscheidender Faktor im öffentlichen Personennahverkehr. Eine exakte und absolut zuverlässige Zeitanzeige sowie eine präzise Synchronisation der verschiedenen Teilsysteme sind dabei das A und O, denn im stark frequentierten Schienennetz kann jede Verspätung einen Dominoeffekt auslösen, der zu erheblichen Unterbrechungen der Verkehrsdienste führen kann. Die Infrastruktur ist hoch komplex, schließlich müssen in Bahnhöfen sehr viele Geräte und Systeme zeitsynchron aufeinander abgestimmt werden – von den Uhren an Bahnsteigen und Bushaltestellen über Fahrgastinformationssysteme, Fahrkartenautomaten, IT-Netze, Funksysteme und Videoüberwachungen bis hin zu Brandmeldeanlagen und der Signaltechnik. Bei der Deutschen Bahn sind bundesweit noch eine Vielzahl von Impulsuhren im Einsatz. Als grundsätzlich einfache und kostengünstige Lösung zur Zeitanzeige werden sie auch weiterhin ihre Bedeutung behalten.

Zeitdienstanlage für ein weit verzweigtes Uhrensystem (Bild: Bürk Mobatime).

Zeitdienstanlage für ein weit verzweigtes Uhrensystem (Bild: Bürk Mobatime).

An vielen Bahnhöfen findet man jedoch nicht nur nach wie vor Analoguhren, sondern zunehmend auch stark veraltete Zeitdienstanlagen, die nicht mehr synchron arbeiten. Damit verbunden sind häufige Störungen, aber auch der Umstand, dass es zunehmend schwieriger wird, Ersatzteile und technischen Support zu beschaffen. Hinzu kommt, dass Fehlersuchen und Reparaturen in Altanlagen äußerst zeit- und kostenaufwendig sind. Eine weitere Herausforderung stellen der demografische Wandel sowie der Generationswechsel im ÖPNV-Betrieb dar: Erfahrene Fernmeldetechniker gehen in den Ruhestand, wodurch den Unternehmen häufig auch langjährig gewachsenes Wissen verloren geht. Zusätzlich zur abnehmenden Verfügbarkeit alter Ersatzteile sind es somit nicht zuletzt Gründe der Betriebssicherheit, weshalb die oft über 30 Jahre alten Zeitdienstanlagen ersetzt werden müssen.

Von der klassischen Zeitzentrale zum IT-gesteuerten System

Muss eine neue Lösung für die Zeitverteilung gefunden werden, stellt sich häufig die Frage, ob ein komplett neues System aufgesetzt werden soll – was jedoch mit erheblichen Kosten verbunden ist. Intelligente Lösungsansätze schaffen in diesem Fall Abhilfe: Wo IT-Netzwerke und Uhrenanlagen bislang separat existieren und Uhrenanlagen häufig auf einer klassischen Zeitzentrale basieren, kann zum Beispiel aus einer alten Anlage mit vertretbarem Aufwand ein modernes, IT-gesteuertes System werden. Das kann unter anderem durch den Einbau einer Unterzentrale und weiteren kleinen Änderungen erreicht werden. Auch lässt sich auf diese Weise ein häufig im Bahnhofsumfeld auftretendes Problem umgehen: der fehlende Funkempfang. Sollen Funkuhren installiert werden, dauert es mitunter Stunden, bis Stellen gefunden sind, an denen es zuverlässigen DCF-Funkempfang gibt. Diese Suche erübrigt sich, wenn sämtliche Haupt- und Nebenuhren in ein IT-Netzwerk integriert sind.

Sobald Störungen auftreten, erfolgt sofort eine exakte Meldung über die Art des Problems und die Störungsstelle. So kann der Entstörungsdienst schnell aktiv werden und ist anders als es bislang oft der Fall ist, nicht mehr von Reklamationsmeldungen von Seiten der Kollegen oder der Fahrgäste abhängig. Aber auch gegenüber modernen, häufig unabhängig vom Uhrensystem installierten NTP-Zeitservern bietet die oben beschriebene Technik klare Vorteile: Zwar wachsen beide Gewerke – die Zeitsynchronisation des Netzwerkes und die der Uhrenanlage –, technologisch zusammen, indem Bahnhöfe beispielsweise mit NTP-Unterzentralen bestückt werden, Nachteil dieses Ansatzes ist jedoch, dass es dann kein einheitliches Zeitsystem mehr gibt, weshalb sich offene Fragen zu BSI-Vorgaben oder der IT-Sicherheit ergeben. Es muss also wiederum eine neue Lösung für ein ganzheitliches Zeitsynchronisations- und Uhrensystem gefunden werden.

Zentrale Administration aller Uhren und Komponenten möglich

Ein sehr gut geeigneter Lösungsansatz basiert darauf, dass übergeordnete Zeitserver zur LAN/WAN-Synchronisation eingesetzt werden. Dazu bieten netzwerkfähige Unterzentralen kleine oder große Lösungen, die je nach Bedarf ausgeführt werden können. Sie sind hochflexibel, anwendungsbezogen, aufwärtskompatibel und investitionssicher. Auch können sie später sukzessive auf intelligente Zweidrahtübertragungssysteme modernisiert werden. Zweidrahtübertragungssysteme nutzen innovative Technologien zur Zeitverteilung in Gebäuden und sorgen für eine störungssichere Datenübertragung bei gleichzeitiger Energieversorgung der angeschlossenen Endgeräte. Als technische Basis dient ein spezielles BUS-System, das sich einer herkömmlichen Zweidrahtleitung – beispielsweise einer Uhrenanlage –, bedient. Über dieses System werden dann Zeittelegramme und adressierte, dezentrale Schaltfunktionen übertragen. Die Zeit- und Datumsinformationen werden von Zeitfunkempfängern an unterschiedliche Steuergeräte geliefert.

Zeitserver stehen für kleinere Anwendungen ebenso zur Verfügung wie für große Anwendungen. Letztere lassen sich modular auf fast unbegrenzt viele Uhrenlinien abstellen, wodurch auch sehr große Uhrenzentralen ersetzt werden können. So wurde zum Beispiel im Kölner Hauptbahnhof eine Uhrenzentrale mit 80 Linien abgelöst. Aufgrund der geänderten Anforderungen hat diese nun 18 Uhrenlinien und besteht aus drei einzelnen, aber modular kombinierbaren Zeitservern. Der große Vorteil hier: Alle Server sowie auch die NTP-Nebenuhren können zentral über ein Netzwerkmanagementsystem administriert werden. Das ausbaufähige und aufwärtskompatible Zeitsystem ist virtuell – und trotzdem in sich geschlossen. Um das gesamte Netzwerk zu synchronisieren, werden in der Regel Zeitserver mit mehreren Netzwerkports installiert. Die Zeitserver werden klassischerweise über GPS synchronisiert. Zukünftig wird die Synchronisation über das Europäische Navigationssatelliten- und Zeitgebungssystem »Galileo« (GNSS) erfolgen. Es liefert bereits heute überall auf der Erde exakte Daten und soll 2024 offiziell an den Start gehen.

Getrennte Netzwerke schaffen ein hohes Maß an Sicherheit

Der oben beschriebene Lösungsansatz sieht eine physikalische Trennung der einzelnen Netzwerke vor, was wiederum für mehr Sicherheit sorgt. Es ist zum Beispiel gewährleistet, dass von einem Netzwerk aus nicht auf andere Netzwerke zugegriffen werden kann. Insbesondere im hochsensiblen Bereich des Nahverkehrs ist dies ein wichtiger Aspekt. Mithilfe von IT-Netzwerkstrukturen wurden inzwischen auch ganze U-Bahn-Systeme in Großstädten synchronisiert – unter anderem die Wiener U-Bahn, das bislang größte Projekt in diesem Zusammenhang. Die Lösung bietet ein komplettes Alarmmanagement für alle Uhren, auch im Rangierbereich, in Wartungshallen und in Depots. Ebenso können alte Uhren ins System integriert werden, was unter anderem in denkmalgeschützten Bahnhöfen von Relevanz ist. Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zu klassischen Zeitdienstanlagen, bei denen die Impulsübertragung über Zweidrahtleitungen erfolgt, werden keine zusätzlichen Leitungen mehr benötigt, da sämtliche Uhren und sonstige Komponenten Teil eines LAN/WAN, also in ein IT-Netzwerk integriert, sind. In einem weiteren Großprojekt in diesem Bereich erfolgte bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) die Komplettablösung des alten Hauptuhrenbestandes durch NTP-Hauptuhren.

Zusammenfassung

Im ÖPNV und in Bahnhöfen müssen viele Geräte und Systeme zeitsynchron aufeinander abgestimmt werden. Mehr als 25 Jahre lang war beispielsweise das Master Time Center (MTC) von Bürk Mobatime eines der führenden Produkte für diese Aufgabe.

Bahngleis in Berlin-Charlottenburg(Bildnachweis: katatonia82).

Bahngleis in Berlin-Charlottenburg
(Bildnachweis: katatonia82).

Als Hauptuhr kann das MTC mehrere und verschiedene Nebenuhrlinien verwalten und eine Vielzahl von Systemen mit verschiedenen Protokollen als Zeitserver synchronisieren. Seit 1996 wurden weltweit mehr als 700 MTC-Zeitdienstanlagen installiert, davon etwa 40 Prozent im Bereich der Verkehrstechnik. Die Technik befindet sich jedoch seit geraumer Zeit im Umbruch – klassische Uhrenanlagen werden zunehmend von IT-Netzwerken mit integrierten NTP-Zeitservern abgelöst. Es muss aber nicht zwingend ein komplett neues System installiert werden: Intelligente Lösungsansätze ermöglichen einen sukzessiven und auch kostenschonenden Übergang zu zukunftsfähigen Technologien für die Zeitsynchronisation.

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