Radaufstandskraftmessung

Artikel vom 6. September 2019
Gleisbau

Die 2018 in der Hauptwerkstätte Olten der SBB von Hastema erstellte Radaufstandskraftmessanlage Wiloc.

Für Rollmaterialhersteller ist die Messung des Gewichtes eines jeden Rades auf der Schiene nach der Fertigstellung unabdingbar: Bei der Konzeption von Schienenfahrzeugen gilt es, Vorgaben der zulässigen Achs- und Radlasten einzuhalten. Zudem ist der Soll-Ist-Vergleich ein Merkmal für die Qualität bei der Montage der Drehgestelle. Übergroße Differenzen zeigen mögliche Fehlfunktionen auf. Aber auch bei einer Revision der Drehgestelle von Loks, Wagen, Triebzügen ist die Messung wichtig, weil man allfällige Ungleichverteilungen der Auflagekräfte auf die Schiene erkennen und korrigieren kann. Solche Messanlagen gehören zum Standard in entsprechenden Werkstätten. Das sind Waagen unter einem abgetrennten Gleisstück, welche statisch das Gewicht eines einzelnen Rades bzw. einer Achse ermitteln. Erst wenn allfällige Abweichungen außerhalb der Toleranz ermittelt und korrigiert sind, darf der Zug auf die Strecke. Potenzielle Schäden an den Gleisen gehen aber auch von Flachstellen aus. Defekte oder gebrochene Federungen/Aufhängungen stellen eine potenzielle Entgleisungsgefahr dar ebenso Ladungsverschiebungen. Letztere passieren indessen meist zufolge mangelhafter Ladungssicherung oder falscher Beladung. Egal aus welchem Grund, solche irregulären Zustände müssen möglichst rasch detektiert werden. Dazu sind in der Schweiz 30 Radlastcheckpoints (RLC) von total 204 Zugkontrolleinheiten (ZKE) Messstellen eingerichtet.

Rawloc von Hastema auf offener Strecke. An den Schienen sind die seitlich angebrachten Abdeckbleche zu erkennen, darunter liegen die Dehnungsmessstreifen.

Die dynamische Radlastkontrolle von Hastema heißt Rawloc (Zugüberwachung / Monitoring). Platziert sind sie an Grenzen, Rangierbahnhöfen, aber auch an Hauptverkehrsachsen. Sie kontrollieren 10.000 Züge und machen 25.000 Messungen pro Tag, wobei 20 Alarme ausgelöst werden. So werden Defekte an Rad, Drehgestell und Fahrzeug frühzeitig erkannt, die Wagen zur Schadensbegrenzung ausgereiht. Doch zurück in die Werkstätte. In Olten, ganz in der Nähe der ersten großen Verkehrsdrehscheibe des Eisenbahnnetzes West-Ost und Nord-Süd der Schweiz, hat Hastema 2018 eine Radaufstandskraftmessanlage Wiloc (Radaufstandskraft Kontrolle) gebaut und in Betrieb genommen. Ermittelt werden Gewicht, Rad- und Achslasten. Das Besondere gegenüber der eingangs erwähnten statischen Messmethode mittels Waage ist, daß sämtliche Messungen dynamisch, also bei der Überfahrt eines ganzen Zugs, erfolgen. Anders wäre das auch nicht mehr möglich, denn die Prüflinge bestehen vornehmlich aus bis zu 150 m langen Triebzügen mit bis zu 24 Achsen. Darunter auch die neuen Doppelstock-Fernverkehrszüge FV-Dosto von Bombardier. Die Züge fahren mit bis zu 30 km/h über ein sensorbestücktes Schienenstück, das aber lückenlos in der bestehenden Anlage integriert ist. Messgröße ist die Verbiegung der Schiene unter der Last. Diese ist naturgemäß extrem klein, d.h. im Bereich von wenigen Mikrometern. Und die wird mit Dehnungsmessstreifen erfasst. Bei Wiloc wird jedes Rad an mehreren tausend Messpunkten gemessen. Bei der alten, statischen Methode entsteht dagegen nur eine Momentaufnahme in einer bestimmten Position, bei der z. B. Wagenchassis-Verspannungen nicht detektiert werden. Genau wird die Messung also erst durch eine Kalibrierung unter einer Messlast. Überprüfungen finden je nach Anlage ungefähr im Jahresrhythmus statt. Für den Fall, dass in der Zwischenzeit doch eine Störung an der Einrichtung vorkommt, werden die Messergebnisse stets auf Plausibilität überprüft. Eine Abweichung der zu erwartenden Masse über einem definierten Promillebereich würde einen Alarm auslösen. Der Einfluss der Umgebungstemperatur wird aus den jeweiligen Messungen herausgerechnet. Eine weitere, kleine Ungenauigkeit resultiert aus einer möglichen Querverschiebung der gemessenen Achse innerhalb des Spurweiten-Spielraums. Aber auch das kann rechnerisch kompensiert werden, indem die Position der Achse quer zur Fahrbahn mittels Distanzsensoren gemessen wird. Die gesamte Installation ist gegen thermische und elektromagnetische Einflüsse abgeschirmt. Alle Größen wie Radaufstandskräfte, Achslasten, Fahrzeugmassen, Anzahl Achsen, Geschwindigkeit etc. werden als Messprotokoll in einer Datenbank gespeichert. Die Aufsummierung der einzelnen Radlasten ergibt das Gesamtgewicht des Zuges. Soweit die Anlage in Olten und zurück zu Hastema generell. Wiloc kann erweitert werden mit Ident, der automatischen Wagenidentifikation. Schließlich erlaubt das System auch benutzerdefinierte Messroutinen.

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