Zehn Jahre Brandschutz im Eurotunnel

Artikel vom 3. September 2024
Bauausführung

Eine Vielzahl von Untersuchungen hat gezeigt, dass Großbrände in Tunneln nur dann wirksam verhindert werden können, wenn ein Entstehungsbrand so früh wie möglich unter Kontrolle gebracht wird. Die üblichen Maßnahmen des baulichen Brandschutzes oder Entrauchungsanlagen alleine können dies nicht sicherstellen. Automatische Brandbekämpfungsanlagen in Tunneln erhöhen deutlich deren Sicherheitsniveau und Verfügbarkeit. Brandbekämpfungsanlagen von Fogtec greifen direkt am Brandherd an und bekämpfen einen Brand sofort nach dessen Entstehung.

Der Eurotunnel ist die schnellste Verbindung zwischen England und Frankreich (Bild: Eurotunnel Le Shuttle).

Der Eurotunnel ist die schnellste Verbindung zwischen England und Frankreich (Bild: Eurotunnel Le Shuttle).

Vor rund 30 Jahren von Frankreichs damaligem Präsidenten François Mitterrand und Königin Elizabeth II. feierlich eröffnet, stellt der 50 Kilometer lange Eurotunnel – zwischen dem französischen Coquelles und dem englischen Folkestone – Großbritanniens direkte Verbindung zu Europa dar. Mit einem Streckenanteil von 37 Kilometern unter dem Ärmelkanal hält der sechstlängste Eisenbahntunnel bis heute den Rekord als längster Unterwassertunnel der Welt. Zudem gilt er als die schnellste Verbindung zwischen Frankreich und England. Der untermeerische Tunnel wird von vier Zugarten frequentiert, die Passagiere, Pkws als auch Lastwagen in gerade einmal 35 Minuten von A nach B befördern. Die von Eurostar betriebenen Hochgeschwindigkeitszüge für Passagiere verbinden die Bahnhöfe London St. Pancras und Paris Gare du Nord miteinander. Mit den Autozügen »LeShuttle« werden Fahrzeuge samt Passagieren durch den Tunnel transportiert. Darüber hinaus durchfahren Lastkraftwagen-Züge, sogenannte »Freight shuttle trains«, sowie Güterzüge den Eurotunnel. Als Dreifachtunnel besteht er aus zwei eingleisigen Zugtunneln sowie einer Parallelröhre zwischen den Gleistunneln, der zwei Fahrstreifen für schmale Servicefahrzeuge bietet und im Brandfall als Fluchtweg dienen kann. Ein wichtiger Aspekt im bauanlagentechnischen Brandschutz.

Brandgefahr: Risikofaktor Tunnel

In Tunneln kommt es immer wieder zu Bränden, die für Passagiere im schlimmsten Fall tödlich enden können und zu erheblichen Schäden am Bauwerk mit hohen Instandsetzungskosten sowie langen Betriebsausfällen führen. Denn bereits kleine Feuer können sich rasch zu großen, unkontrollierbaren Tunnelbränden entwickeln. Dabei kommt es zu extremen Temperaturanstiegen von bis zu 1300 °C und einer starken Rauchentwicklung. Der Brandherd ist meist nur sehr schwer erreichbar und die Fluchtmöglichkeiten – insbesondere die verbleibende Zeit – sind eingeschränkt. Aufgrund seiner baulichen Gegebenheiten (bis zu 75 Meter unter dem Meeresgrund) und der starken Auslastung mit über 20 Millionen Passagieren jährlich zählt der Eurotunnel zur kritischen Verkehrsinfrastruktur, die es besonders zu schützen gilt.

Der Tunnel verläuft durchschnittlich 40 Meter unter dem Meeresbodenrandversuche (Bild: Eurotunnel Le Shuttle).

Der Tunnel verläuft durchschnittlich 40 Meter unter dem Meeresboden (Bild: Eurotunnel Le Shuttle).

Tunnelbrände und Brandschäden: Fallbeispiel Eurotunnel

Die zum Teil verheerenden Tunnelbrände der Vergangenheit haben gezeigt, dass selbst moderne Tunnel im Brandfall das Potenzial haben, dramatisch zu eskalieren. So musste auch der Eurotunnel in den Jahren 1996 und 2008 zwei Großbrände überstehen, die von erheblichen Schäden begleitet wurden. Dabei fingen Lkw-Transportzüge während der Durchfahrt Feuer. Auch wenn alle Passagiere rechtzeitig über den Servicetunnel evakuiert werden konnten, zeigte sich jedoch deutlich, wie schwer es den britischen und französischen Feuerwehrkräften aufgrund der raschen Brandentwicklung und Hitzestrahlung fiel, den Flammenherd zu erreichen und wirkungsvolle Brandbekämpfungsmaßnahmen durchzuführen, denn eine automatische Brandbekämpfungsanlage gab es damals noch nicht. Im weiteren Brandverlauf verursachten die hohen Temperaturen erhebliche Schäden an der Tunnelstruktur sowie an der Betriebseinrichtung, weshalb der Eurotunnel 1996 für ca. sieben Monate nicht befahrbar war. Der Schaden wurde auf ca. 250 Millionen Euro beziffert. Im Jahr 2008 fielen die Auswirkungen und somit auch die Sperrzeit geringer aus. Dennoch dauerte es bis in das Jahr 2009 hinein, bis der Betrieb in dem vom Brand betroffenen Bereich wieder vollständig freigegeben werden konnte.

SAFE-Stationen und Wahl der geeigneten Brandbekämpfung

Die Risiken im Zusammenhang mit der Sicherheit von Menschenleben, der Sicherheit von Feuerwehren und dem Schutz von Tunnelbauwerken sind heute hinlänglich bekannt. Um die Vorgaben der Regelwerke, insbesondere bezüglich Personensicherheit und Bauwerkschutz, zu erfüllen, wurden im Eurotunnel verschiedene Konzepte und Brandschutzmaßnahmen umgesetzt. Resultierend aus den Erfahrungen von 2008 sowie zahlreicher Studien zu Brandursachen und -häufigkeit in Tunneln entschied man sich für eine Ausrüstung mit zwei SAFE-Stationen. Im Brandfall müssen Lkw-Shuttle-Züge bis zu einer der SAFE-Stationen im Tunnel fahren und dort an einer vorbestimmten Stelle zum Stehen kommen, sodass die Passagiere unmittelbar über einen Notausgang in die anderen Tunnelröhren evakuiert werden können.

Darüber hinaus sollte eine geeignete automatische Brandbekämpfungsanlage dafür sorgen, die Brandausbreitung deutlich einzugrenzen und den Einsatzkräften ein schnelles Vordringen zum Brandherd zu ermöglichen. Die im Auftrag der Betreibergesellschaft Eurotunnel durchgeführte Studie von BG Consulting Engineers zeigte auf, dass im ungünstigsten Fall ein Brand auf einem Shuttle-Zug eine Größe von 200 Megawatt (MW) erreichen kann, bis die Anlage aktiviert wird.  Daraufhin wurden Sprühflutanlagen, Schaumlöschanlagen und Wassernebelanlagen auch ihre wirtschaftliche und technische Machbarkeit sowie Wirksamkeit hin untersucht.

Aufgrund der begrenzten Kapazitäten von Wasserversorgung sowie Wasserableitung wurden herkömmliche Sprühflutanlagen im Tunnel als wenig geeignet bewertet. Wegen des hohen Installationsaufwandes, der komplexen Systemtechnik und einer möglichen Gefährdung von Personen wurde das Konzept Schaumlöschanlage ebenfalls verworfen. Der drohende Reinigungsaufwand im Falle einer Auslösung sowie die Gefahr entstehender Korrosionen bekräftigte diese Entscheidung.  Die Wahl fiel schließlich auf eine Absicherung durch Hochdruckwassernebel (HDWN).

Absicherung mit Hochdruckwassernebel: Realbrandversuche im Testtunnel (Bild: Fogtec).

Realbrandversuche im Testtunnel (Bild: Fogtec).

Absicherung mit Hochdruckwassernebel: Realbrandversuche im Testtunnel

Wassernebel-Brandbekämpfungsanlagen (WN-BBA) werden bereits seit ca. 20 Jahren zur Bekämpfung von Großbränden in Tunneln eingesetzt. Die Wassernebel-Technologie basiert auf dem physikalischen Prinzip der Kühlwirkung sowie dem Sauerstoffver-drängungseffekt. Durch das Zerstäuben des (Lösch-)Wassers in kleinste Tröpfchen vergrößert sich die Reaktionsoberfläche um ein Vielfaches im Vergleich zu herkömmlichen Wasserlöschanlagen.

 

Tröpfchenpyramide – minimaler Wassereinsatz durch kleinste Tröpfchenverteilung (Bild: Fogtec).

Tröpfchenpyramide – minimaler Wassereinsatz durch kleinste Tröpfchenverteilung (Bild: Fogtec).

Diese Verdampfung erzeugt eine rasche Kühlwirkung und sorgt dafür, dass dem Feuer Energie entzogen wird. Fogtec hatte im Rahmen von Forschungsprojekten, gefördert vom Bund und der EU, die Wirksamkeit der Systeme mit Realbrandversuchen in Testtunneln gemäß dem Stand der Technik (zum Beispiel UPTUN R251) untersucht. Bei den Vollbrandversuchen bis zu 200 MW im spanischen Versuchstunnel San Pedro de Anes waren auch das IFAB (Institut für angewandte Brandschutzforschung) sowie Fachleute von STUVA, efectis France und SETEC beteiligt.

Dabei wurden auf einer Länge von 40 Metern Nachbauten von Lkw aus Holzpaletten als Brandlast verwendet. Da in diesem besonderen Fall die Wirksamkeit der HDWN-Anlage bei einem Brand von 150 MW nachgewiesen werden sollte, wurde eine Zündung der Lkw-Nachbauten mit Dieselpoolfeuern mit einer initialen Brandlast von ca. 25 MW vorgenommen. Nach Erreichen von 150 MW wurde die HDWN-Anlage aktiviert. Um gleichzeitig die Funktionsweise der Brandnotlüftung zu simulieren, wurden die Ventilatoren im Testtunnel entsprechend aktiviert.  Zur Überwachung von Temperaturen, Wärmestrahlung, Druck, Gaskonzentrationen und Strömungsgeschwindigkeit wurden im gesamten Versuchstunnel über 150 Sensoren installiert. Um die Brandausbreitung zu untersuchen, wurde auf beiden Seiten der eigentlichen Brandlast in einem Abstand von 1,50 Meters ein weiteres Zielobjekt aufgestellt. Nach der Zündung der Initialbrandlast konnte insbesondere durch die Ventilationsgeschwindigkeit eine sehr rasante Brandausbreitung festgestellt werden. So wurde innerhalb weniger Minuten nach Zündung eine Wärmefreisetzungsrate von ca. 200 MW erreicht. Die Versuchsauswertung ergab, dass unmittelbar nach Auslösung der HDWN-Anlage eine deutliche Reduzierung der Temperaturen und Wärmestrahlung in kürzester Zeit festgestellt werden konnte; ein Nachweis, dass durch eine schnelle Aktivierung der HDWN-Anlage die Einwirkungen auf die Tunnelinfrastruktur durch den Brand und damit mögliche Schäden deutlich reduziert werden können. Weiterhin wurde auch gezeigt, dass mit aktivierter HDWN-Anlage ein schnelles und vergleichsweise gefahrloses Eingreifen durch die Feuerwehr jederzeit möglich ist.

Nachbildung des Eurotrunnel-Querschnitts für Brandversuche (Bild: Fogtec)

Nachbildung des Eurotrunnel-Shuttle für Brandversuche (Bild: Fogtec)

Fogtec-Anlagen seit zehn Jahren im Eurotunnel

Seit über zehn Jahren sichern Hochdruckwassernebelanlagen von Fogtec nun den Eurotunnel für den Brandfall ab. Die HDWN-Anlage in jeder SAFE-Station hat pro Tunnelröhre eine Länge von 870 Metern und ist in 29 Sektionen je 30 Meter unterteilt.

Im Fall eines Brandes werden drei Sektionen mit einer Gesamtlänge von 90 m gleichzeitig aktiviert. Die Wasserversorgung erfolgt in jeder SAFE-Station über eine zentrale Pumpenanlage, die über eine Hauptleitung im Servicetunnel die einzelnen Bereiche versorgt. Die Erzeugung des Wassernebels erfolgt über spezielle Düsen, die im linken und rechten Deckenbereich oberhalb des Lichtraumprofils angeordnet sind. Unabhängige Untersuchungen haben gezeigt, dass selbst bis zu einer Spannung von 30 kV kein Spannungsüberschlag durch Wassernebel stattfindet. Die Lokalisierung des Brandherdes erfolgt über ein speziell für diesen Anwendungsfall entwickeltes Detektionssystem. Durch die Positionierung von drei Kabeln im Tunnelquerschnitt wird erreicht, dass selbst kleinere Brände bei höheren Strömungsgeschwindigkeiten schnell detektiert und ausreichend genau lokalisiert werden können. Eine weitere Überwachung während eines Brandes kann durch Thermosensoren realisiert werden, die in jedem Bereich der HDWN-Anlage installiert sind. Dadurch besteht für die Feuerwehrkräfte und den Betreiber die Möglichkeit, einen möglichen Brand zu überwachen und gegebenenfalls andere Bereiche der HDWN-Anlage zu aktivieren.

Neue Herausforderung: Batteriebrände und ihre Folgen

In den vergangenen 25 Jahren wurden Wassernebelsysteme von Fogtec in über 200 Großbrandversuchen in Tunneln getestet. Von New York/USA (Hugh L. Carey-Tunnel) bis Saadiyat, Abu Dhabi (Island Service-Tunnel) sichern wir weltweit zahlreiche Tunnel mit unseren Systemen ab. Da sich die Brandschutzherausforderungen durch E-Mobilität stark gewandelt haben, erforschen wir auch dieses neue Anwendungsfeld und realisieren Brandversuche mit neuen Energieträgern (NEC). Besonders die in E-Autos verbauten Lithium-Ionen-Batterien stellen mit ihren drohenden exothermen Kettenreaktionen (Thermal Runaway) und extrem rasanten Temperaturanstiegen ein erhebliches Brandrisiko dar, begleitet von toxischen »Venting Gasen«, die explosiv sind und massiv die Bausubstanz angreifen können. Das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte SUVEREN Forschungsprojekt und die zugehörigen Brandversuche mit Batterien lassen den Schluss zu, dass Batteriebrände eine besonders schnelle Brandentwicklung zeigen und somit ein erhöhtes Risiko zur Ausbreitung auf-weisen.  Speziell in Tunneln droht bei Bränden durch Traktionsbatterien beispielsweise auf Lkw-Shuttle-Zügen ein schneller Brandüberschlag auf benachbarte Fahrzeuge, da diese eng beieinanderstehen. Auch in diesem Fall stellt Hochdruckwassernebel aufgrund seiner hohen Kühlwirkung das effizienteste Mittel zur Batterie-Brandbekämpfung dar. Dies bestätigen auch die SUVEREN-Brandversuche zu Elektrofahrzeugbränden.

Konzept für lange Bahntunnel

Selbst wenn Fahrzeuge zunehmend mit integrierten Brandbekämpfungsanlagen ausgestattet sind, ist das Konzept der SAFE-Stationen eine sinnvolle Möglichkeit, um Nothaltestellen in langen Bahntunneln zusätzlich abzusichern. Dies verbessert nicht nur die Evakuierungsbedingungen für Personen im Tunnel, sondern bekämpft ebenfalls direkt die Auswirkungen eines Brandes und reduziert damit Schäden deutlich. Dies kann sich positiv auf die Reparaturkosten nach einem Brand sowie die Stillstandzeiten auswirken.

Fußnoten:

1) Quelle: https://www.calais-cotedopale.de/aller-en-angleterre-deutsch/eurotunnelBU

2) Brandschutz im Eurotunnel, Tunnel 7/2010, Stefan Kratzmeir, Wissenschaftlicher Leiter, IFAB Institut für angewandte Brandschutzforschung, Rostock/D

3)  https://www.tunnel-online.info/de/artikel/tunnel_2010-07_Brandschutz_im_Eurotunnel-1033483.html
4) IFAB Ingenieure für angewandte Brandschutzforschung GmbH, »SUVEREN/PARK«, 2023, S. 3, 2.1

5) Die Erforschung des Brandverhaltens von Elektrofahrzeugen und deren Batterien war in den letzten Jahren ein zentraler Bestandteil des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekts SUVEREN (http://www.suveren-nec.info/).

6) M. Kutschenreuter, S. Klüh, L. Fast, F. Leismann, M. Lakkonen und R. Rothe, »Fire Safety of Lithium-Ion Traction Batteries«, in International Conference on Fires in Vehicles (FIVE), 2020.

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